Klirr! Mit einem hässlichen Geräusch schlagen mehrere Gläser zu Boden und zerbersten in eine Vielzahl von Scherben. „Gib es doch endlich zu!“, schreit die Frau ihrem Mann ins Gesicht. Aber dieser sitzt nur schweigend am Tisch. Es hatte als gewöhnliches Abendessen begonnen, doch irgendwie fiel ein falsches Wort und schon ereignete sich das, was alle paar Wochen wiederkehrt: Rasende Eifersucht. Der Mann sagt nicht viel, weil er weiß, dass keines seiner Worte den Verdacht abschwächen würde. Er könnte beteuern, seine Frau nicht betrogen zu haben, doch sie wird ihm nicht glauben – das hat er inzwischen gelernt. So schweigt er zu den Vorwürfen, was leider ebenso den Verdacht schürt, und hofft, dass sich morgen die Wogen wieder geglättet haben.

Keine schöne Lage – für beide. Für den Mann, weil er mit falschen Vorwürfen konfrontiert wird und sich nicht wehren kann. Er versucht zwar seine negativen Gefühle herunterzuschlucken und die Sache über sich ergehen zu lassen, doch innerlich kocht er. Dabei spielt er sogar mit dem Gedanken seiner Frau wirklich fremdzugehen, damit die Vorwürfe einmal berechtigt wären.
Die Frau hat es allerdings auch nicht leichter. Sie ist im festen Glauben betrogen worden zu sein, wodurch sie sich verraten fühlt und minderwertig. Mit diesem vermeintlichen Vertrauensbruch zerfällt ihr ganzes Leben, welches sie mit ihrem Mann aufgebaut hat.

Dieser Streit wird vorübergehen und er wird sich immer wiederholen. Irgendwann kann einer der beiden es nicht mehr aushalten und es kommt zur Trennung. Doch der Gefühlsterror findet an diesem Punkt kein Ende. Eifersucht wird durch Liebeskummer ersetzt und Selbstzweifel keimen auf, ob man die Beziehung nicht hätte retten können oder immer noch retten kann. Um sich abzulenken verbringt man viel Zeit in der Arbeit und die Abendstunden womöglich mit Freunden. Aber nachts liegt man einsam in seinem Bett und die Gedanken kreisen nur um die verlorene Liebe.


Für einige ist das schon ein Grund, sich alle Gefühle wegzuwünschen oder zumindest auswählen zu können, welche Gefühle man spüren möchte und welche nicht. Also keine Einsamkeit mehr, keine Eifersucht, keine Angst, keinen Hass, keine Wut, keinen Schmerz, keinen Hunger, keine Frustration.
Am Ende sind es doch eben diese Gefühle, welche die Welt hässlich und nicht lebenswert erscheinen lassen, oder?

Blödsinn! Sie sind absolut notwendig. Denn ohne diese negativen Emotionen gäbe es auch keine positiven. Starke Zuneigung oder Freude können ohne Hass und Trauer nicht existieren. Um etwas in eine Richtung zu fühlen, muss auch ein Gegenteil vorhanden sein. In einer Welt in der immer nur die Sonne scheint und es keine Wolken oder den Wind gibt, spricht niemand von einem schönen Wetter. Sogar der ganze Begriff des Wetters wird wohl keine Verwendung finden.
Übertragen auf Partnerschaften könnte auch hier keine Unterscheidung mehr stattfinden, wenn es nur Zuneigung und keine Abneigung gäbe. Menschen wären dann ungefähr so miteinander verbunden wie zwei Computer über das Internet. Analog kann man das zu allen anderen Gefühlen aufstellen. Insgesamt würde dann Emotionslosigkeit herrschen, was wider die menschliche Natur wäre und unvorhersehbare Folgen für Körper und Psyche hätte.

Aber negative Gefühle haben natürlich nicht nur eine Existenzberechtigung, damit es positive gibt. Sie sind ebenso wertvoll wie ihre Gegenstücke. Allerdings finden sie im aktuellen verweichlichten Wertesystem keinen Platz und werden oftmals verpönt. Wir lernen, dass es schlecht ist, jemanden zu hassen und dass wir unsere Wut unterdrücken müssen. Jemandem Schmerzen zuzufügen, der es nicht möchte, ist böse und kann mitunter eine Straftat darstellen.
Doch es ist wichtig eben diese Gefühle auszuleben, denn sie sind äußerst hilfreich.
Was bleibt einem am Boden Liegenden, dem alles genommen wurde, noch übrig außer der Hass demjenigen gegenüber, den er für den Verantwortlichen hält? Hass ist ein mächtiger Antrieb, der Menschen zu neuem Leben ruft, die eigentlich keines mehr haben.
Wut ist die Kraft des Volkes. Die Kraft zur Veränderung, die Staaten in ihrer Mitte zerreißt, damit sie aufs Neue aufblühen können. Es ist die Kraft der körperlich Schwachen, es ist der Wahnsinn, der aus einem friedliebenden Menschen herausbrechen kann, dem mehr zugemutet wurde, als er ertragen kann.
Schmerz ist die Notwendigkeit, um Hass und Wut zu spüren. Die Erinnerung daran ist es, welches die anderen Gefühle nährt.

Der gängige Spruch, dass man Gewalt nicht mit Gegengewalt lösen kann, ist unsinnig. Gewalt ist menschlich und ein gültiges Mittel, um einem Konflikt entgegenzutreten. Es gibt eben Personen, die es mit ihren Lügen, ihrem falschen Grinsen und ihrer manipulierenden Art, darauf anlegen verletzt zu werden. Genauso gibt es Systeme und Strukturen, die sich von passivem Widerstand und friedlichen Demonstrationszügen nicht beeindrucken lassen. Eine Bewegung ist dort nur so stark, wie ihr radikalster Arm. Denn Gewalt, egal ob körperlich oder psychisch, ist manchmal das Einzige, was zu einer Besserung führen kann.

Möchte man eine friedliche oder gewaltfreie Welt schaffen, müsste man die Menschen vom Leben lösen. Aber wenn man anfängt sich beispielsweise durch Religion vom Leben loszusagen und wie Jesus lebt oder ein friedfertiger Buddhist wird, schränkt man sein Spektrum zu handeln nur auf eine Seite ein. Es kann zu einer Lösung führen, sich ans Kreuz schlagen zu lassen oder mit einem Salzmarsch passiven Widerstand zu leisten. Aber man sollte immer alle Möglichkeiten betrachten, um eine richtige Lösung zu finden, anstatt bestimmte Handlungsweisen im Voraus abzulehnen. Durch den strikten Ausschluss von Gewalt tötet man einen Teil von sich selbst, was zuletzt auch zum eigenen Tod führen kann, ohne Widerauferstehung.


Neben Gefühlen von Hass und Wut gibt es natürlich noch zahlreiche andere, die pervers oder wider die Natur scheinen können. Pädophilie, Nekrophilie oder Sodomie, vor nicht allzu langer Zeit zählte auch Homosexualität dazu und viele andere. Es kann auch sein, dass man bestimmte Gefühle aufgrund einer Geisteskrankheit mit sich herumträgt. Unterdrückt man sein Verlangen nur, besteht die Gefahr, dass es sich verstärkt. Man sollte es daher nicht einfach ignorieren oder wegleugnen. Für einen gesunden Umgang muss man lernen Gefühle zu akzeptieren und zu verstehen. Danach kann man immer noch entscheiden, ob es eine Möglichkeit gibt, sie auszuleben oder ob man lieber das Problem bearbeiten sollte, mit dem sie zusammenhängen. Nur so kann man Befriedigung erfahren.

Logischerweise bedeutet das nicht, seine Gefühle blind herauszulassen. Wenn man Gefühle akzeptiert, muss man auch lernen diese zu kontrollieren. Das bedeutet, sie in einem Fall zu bejahen und voll auszuleben und sie in anderen Fällen zurückzuhalten. Daneben natürlich gemäßigt zu reagieren, wenn es anders nicht zielführend wäre.

Genauso ist es wichtig, sie den Personen zurückzugeben, welche sie verursachen. Für viele ist es gängige Praxis, ihre miese Laune von der Arbeit mit nach Hause zu nehmen und dort an der Familie, Freunden oder auch beim Sex in Form von Sadismus raus zulassen. Aber wenn ich auf meinen Chef wütend bin, dann sollte er diese Wut auch abbekommen. Jedoch nicht, indem ich ihm gleich ins Gesicht springe und auf ihn einprügle, sondern gemäßigt, im günstigsten Fall mit Worten, die ihm klar machen, dass er nicht so einen Druck aufbauen soll. Da das oftmals zu kompliziert ist, kann man im Zweifel auch mit verletzenden Worten um sich werfen. Sollte man dadurch seine Arbeit verlieren, dann ist das immer noch besser als die Wut oder den Frust bei Menschen abzuladen, die es nicht verdient haben. Beispielsweise an seiner Familie, die man doch eigentlich mit einem guten Job versorgen und nicht zerstören will. Und nichts ist schlimmer als Wut in sich hineinzufressen, wo sie vor sich hin schwelt und einen selbst zerstört. Krankheiten können hierbei die Folge sein, aber längerfristig auch wieder ein unkontrollierter Zornesausbruch Menschen gegenüber, die es nicht verdient haben. Leider kommt es schon in frühster Kindheit dazu, dass man Gefühle verdrängt, wodurch es schwer ist abzuschätzen, wer Verursacher und wer nur ein Auslöser ist. Mehr dazu findet sich in den Texten Persönlichkeitsentwicklung und Traumabewältigung.

Das sind allerdings nur die Auswirkungen für einen selbst und das private Umfeld. Doch auch dem Chef und seinen Mitarbeitern ist nicht geholfen, wenn man nur schweigt. Er wird niemals anfangen sein Verhalten zu überdenken und dementsprechend an den immer gleichen Punkten seine Angestellten provozieren. Natürlich muss es nicht besser werden, wenn man etwas dagegen tut, aber es besteht zumindest die Möglichkeit dazu. Sollten Worte nicht helfen oder sich die Situation verschlimmern, kann auch eine Ohrfeige und eine Kündigung Abhilfe schaffen. Man muss sich eben fragen, was einem lieber ist: Sich schikanieren und unterbuttern lassen, um dann ein angeblich gutes Leben mit dem Geld aus der Arbeit zu führen, oder eine Anzeige wegen einfacher Körperverletzung zu riskieren und die Arbeit, die einem nicht gut getan hat, zu beenden – in dem Wissen, für sich selbst eingestanden zu sein. Es ist immer der logische Weg, dasjenige zu zerstören oder hinter sich zu lassen, das einen selbst zerstört. Der unlogische Weg hingegen ist es, sich dem Druck zu beugen und seine Gefühle zu verbergen. Das verletzt dann nur das Selbstwertgefühl, bis man soweit ist, dass man sich selbst nicht mehr leiden kann.
Aber was ist mit der Zwischenlösung, also kündigen ohne seinen Frust am Chef rausgelassen zu haben? Das ist schlichtweg keine Lösung! Wer einen Konflikt nicht austrägt, frisst ihn in sich hinein und wird selbst nach der Kündigung lange an all dem zu knabbern haben, was er hätte sagen oder tun können.


Insgesamt geht es bei Emotionen nicht darum, perfekte Kontrolle zu erlangen. Es wird dem einen leichter fallen und dem anderem schwerer, sich in den Griff zu bekommen, je nachdem, wie emotional man von Natur aus veranlagt ist.
Die Menschen, die ihre Gefühle schon immer gut kontrollieren konnten, haben den Nachteil, dass die Intensität ihrer Gefühle oftmals nicht groß genug ist, um damit Berge zu versetzen. Stark emotionale Menschen können dies zwar, werden aber auch in unpassenden Situationen mit dem Drang konfrontiert zu heftig zu reagieren.
Beobachtet man emotionale Menschen in einer Diskussion, kann man anhand der starken Reaktion leicht feststellen, wenn das Thema ein Trauma berührt. Spricht man aufgeschlossene Menschen darauf an, können diese das Problem erkennen und aufarbeiten. Rationale Menschen hingegen würden eher schweigen oder versuchen zu argumentieren, wodurch ein Trauma nicht ohne weiteres zum Vorschein kommt.

Am Ende ist es egal, welchem Typ Mensch man angehört. Es ist nur wichtig, seine Gefühle richtig zu nutzen und nicht ihr Sklave zu werden. Wer Herr über seine Gefühle wird, kann selbst über sein Leben bestimmen und muss nicht mehr von seinen Instinkten in falsche Richtungen gelenkt werden. Ob bei einem Streit der sich hochschaukelt, bei Prüfungsangst oder jeder Form von Trauer. Man leidet weitaus weniger, wenn man Gefühle als solche akzeptiert, aber nicht glaubt sie als Wegweiser nutzen zu müssen. Der Verstand wird Wegweiser.

Und so kann man auch einen Weg einschlagen, der tiefer ist als Hass, inniger als Liebe und rastloser als Eifersucht. Es ist der Weg eines Schaffenden, von jemandem, der weiß, wann und wie er zerstört und wie er darauf etwas Neues aufbaut. Nichts anderes beinhaltet der Drang zur Entwicklung, dem wir seit der Entstehung der Materie folgen. Altes wird zerstört und Neues darauf aufgebaut. Ob es Bindungen zwischen Atomen sind oder Staaten, die reformiert werden, überall ist es das höchste Gut und der größte Drang, Altes einzureißen, um Neues darauf zu errichten. Wer seine Gefühle akzeptiert, wird eben das erkennen und daraus Kraft schöpfen können. Wer seinen schöpferischen oder zerstörerischen Teil negiert, bleibt nur ein triebgesteuertes Tier oder eine funktionierende Maschine. Duckmäuser, Mitläufer und andere Maschinen, die sich bedingungslos unterordnen, hat gerade Deutschland schon zur Genüge.

Es wird Zeit, wieder Menschen entstehen zu lassen!